Die Kunst des Rosenveredelns

Die Vorbereitung

Rosenfeld in unserer Baumschule
Rosenfeld in unserer Baumschule

Das Veredeln von Rosen, die sogenannte Okulation, ist die am häufigsten bei Rosen angewendete Vermehrungsart. Der Begriff Okulation beschreibt das Einsetzen eines "Auges", sprich einer Knospe einer edlen Rosensorte auf eine Unterlage und geht wortgeschichtlich auf das lateinische Wort für Auge, „oculus“, zurück. Mittels Okulation wird so aus einer Wildrose eine Beetrose, eine Kletterrose, eine Strauchrose oder irgendeine andere edle Rosensorte.

Wenn Sie Rosen okulieren möchten, beschaffen Sie sich zunächst die notwendigen Wildlingsunterlagen. Die bekannteste und am häufigsten als Unterlage verwendete Wildart ist Rosa laxa. Wenn Sie die Wildlinge, wie sie unter Gärtnern genannt werden, im Herbst erhalten, schneiden Sie sie zunächst leicht an Trieb und Wurzel zurück und schlagen Sie sie bundweise in Sand ein. Gepflanzt werden die jungen Wildrosen erst im Frühjahr. Stehen Ihnen keine Sämlingsunterlagen zur Verfügung, können Sie auch auf bewurzelten Steckhölzern von Wildrosen, z. B.  von Rosa multiflora, veredeln.
 
Die eigentliche Okulation findet idealerweise an heißen Sommertagen im Juli statt.

Die Profis verwenden zum Okulieren ein spezielles Okulationsmesser. Es kostet etwa 40,00 € und lohnt die Anschaffung nur, wenn eine nennenswerte Anzahl von Pflanzen vermehrt werden soll. Ansonsten kann man sich auch mit einem guten, scharfen und sauberen Messer behelfen.

So wird veredelt

 

 

 

 

 

 

  • Zunächst wird das Reis, also ein ausgereiftes, verblühtes Triebstück der zu veredelnden Sorte, geschnitten. Das Reis wird entblättert und entstachelt. Nur die etwa einen Zentimeter langen Blattstiele bleiben direkt an den Augen stehen. Das Reis, oder die Reiser, sollten ständig feucht gehalten werden (z.B. in ein nasses Geschirrtuch eingewickelt).

 

 

 

 

 

 

  • Anschließend wird am gereinigten, blankpolierten und etwa fingerdicken Wurzelhals des Wildlings ein sogenannter T-Schnitt ausgeführt.

 

 

 

 

 

 

  • Mit einem ziehenden Schnitt, der etwa zwei Zentimeter unter dem Auge ansetzt, wird ein Rindenstück mit Auge entnommen. Man hält dabei das Reis so, dass das Auge zum Veredler zeigt.

 

 

 

 

 

 

  • Hinter dem geschnittenen Auge sitzt ein Holzspan, der vorsichtig und behutsam entfernt wird.

 

 

 

 

 

 

  • Die Rinde um den T-Schnitt wird sorgsam gelockert und das Edelauge in den T-Schnitt eingeschoben. Nur bei heißem Wetter löst sich die Rinde gut, da die Unterlage aufgrund ihrer hohen physiologischen Aktivität voll im Saft steht. Nach dem Einschieben wird das überstehende hintere Rindenteil des Auges auf Höhe des T-Balkens abgeschnitten.

 

 

 

 

  • Die Veredlungsstelle wird abschließend mit Bast oder einem Gummibändchen verbunden und schmutzfrei gehalten.

 

 

 

 

  • Im Herbst wird die Veredlungsstelle gut angehäufelt. So übersteht sie den Winter. Im Frühjahr wird sie wieder freigelegt und die Wildkrone über dem T-Balken oberhalb des angewachsenen Auges abgeschnitten. Diesen Vorgang nennen die Baumschuler "abwerfen". Jetzt konzentriert sich der gesamte Saftstrom der Unterlage auf das edle, noch schlafende Auge und zwingt es zum Durchtreiben. Eine neue, edle Rose wächst heran.
  • Wildtriebe um die Veredlungsstelle muss man im Sommer immer wieder „räubern“, das heißt sauber an ihrer Ansatzstelle entfernen. Manche Rosensorten, z. B. aus der Gruppe der Edelrosen, verzweigen sich nicht leicht. Um ihre Verzweigung zu fördern, pinziert man sie im Mai häufiger. Das heißt, dass überlange, einzelstehende Austriebe geköpft und ihre schlafenden Nebenaugen zum Austrieb gezwungen werden. Im Herbst, also gut fünfzehn Monate nach der Okulation, kann die nun buschige Rose gerodet und an den Endstandort gepflanzt werden.

Stammrosen

Auch Stammrosen werden okuliert, und zwar in der gewünschten Kronenhöhe. Damit sich die Krone rund und voll entwickeln kann, bringt man zwei oder sogar drei Veredlungen rund um einen Stamm an. Voraussetzungen für die eigene Vermehrung von Stammrosen bilden Unterlagen in Form von kronentragenden Stämmchen. Diese Unterlagen sollen gerade und möglichst lang sein. In der Regel benutzen die Baumschulen spezielle Auslesen aus der Art Rosa canina. Natürlich kann man auch einen Wildbusch so zurechtschneiden, dass nur noch ein etwa 1,5 m langer Trieb als zukünftiger Stamm übrigbleibt. Wer eine alte Wildrose im Garten hat, kann von diesem Busch ebenfalls mit etwas Glück bewurzelte Wildstämme gewinnen. In früheren Zeiten wurden die Stammrosen ohnehin auf Wildstämme aus dem Wald veredelt.

Noch ein Tipp: Ältere Stammrosen, die ihre Edelkrone durch Frost oder Bruch eingebüßt haben, lassen sich mittels Okulation nachveredeln und somit erhalten.

Copyright: Texte: Markley, Illustrationen: Vierhaus (4) / Haan, Fotos: Kessler Baumschule